Der König ist tot. Claus Peymann ist am vergangenen Donnerstag mit 88 Jahren in Berlin gestorben.
Ich verdanke Peymann unendliche Stunden aufregender und epochaler Inszenierungen: „Iphigenie“ in Stuttgart, „Hermannsschlacht“, „Torquato Tasso“, „Nathan der Weise“ und „Theatermacher“ in Bochum, „Publikumsbeschimpfung“ und „Heldenplatz“ in Wien, wenige Stücke in Berlin. Berlin war der Abgesang, ein eher schwacher Epilog. Peymann hätte in Berlin früher aufhören sollen, in der Stadt also, die, ganz anders als Bochum und Wien, allenfalls auf Skandale reagiert, nicht aber auf wortgetreue Klassiker-Inszenierungen und erschütternd-aufklärerische Stücke wie die von Thomas Bernhard oder die skurril-hintergründigen Werke von Peymanns Bruder im Geiste George Tabori. Ich hatte das Glück, die Beiden, zusammen mit dem fundamental grantelnden Bernhard und den heranwachsenden Großschauspielern Voss, Dene, Buhre, Hefti und Samarowski gelegentlich in der Kantine des Bochumer Schauspielhauses-nach einem grandiosen Theaterabend-erleben zu dürfen. Einmalig und unvergesslich!
Peymann war Schillerianer auf seine Weise: Die „Schaubühne als moralische Anstalt“ war sein Credo: Er, Theaterbesessener und letzter Aufklärer auf dem einstmaligen Thespis-Karren, glaubte daran, dass es gelingen könne, ja: müsse, mit dem Schauspiel und der Bühne die Welt zu humanisieren, zu verbessern – gegen alle obwaltenden Anti-Aufklärer, Mitläufer und Dummköpfe, neuerdings KI-Propagandisten. In Berlin wollte er der „Reißzahn im Arsch der Mächtigen“ werden; gelungen ist es nicht. Die abwartende und verhindernde Masse in Politik und Öffentlichkeit verwarf seine Angebote und Provokationen, forderte, wie in Stuttgart in der Ensslin-Sache, seinen Rücktritt.
Der König ist tot. Lang lebe der König!
Lutz Götze






