Keine Nachrichten mehr aus seiner Bibliothek
Literarische Werke basieren laut Jürgen Klein nicht auf physikalischen Phänomenen, sondern sind selbst hochkomplexe, vom Menschen gemachte Produkte. Unter den mehr als 20 von ihm verfassten Monographien geht es um England zwischen Aufklärung und Romantik, um Francis Bacon oder die Modernisierung Englands, um Virginia Woolf: Genie – Tragik – Emanzipation, um Shakespeare: Humanität im Spannungsfeld von Kontrast und Konflikt, um Theoriengeschichte als Wissenschaftskritik, um den Dialog mit Koeppen und nicht zuletzt um Nachrichten aus meiner Bibliothek. Außenseiter der Moderne.
Am 5. Oktober 2025 verließ den Anglisten, Herausgeber und Verleger Prof. Dr. Jürgen Klein bei der Arbeit an seinem Schreibtisch in Hamburg das Leben. Die Feier seines 80. Geburtstages lag da nur noch 19 Tage entfernt. Auf die Welt gekommen war er am 24. Oktober 1945 in Detmold. Nach dem Abitur studierte Jürgen Klein von 1965 bis 1973 Anglistik, Soziologie und Politische Wissenschaft an der Philipps-Universität Marburg und wurde dort 1973 mit der Studie Der gotische Roman und die Ästhetik des Bösen zum Dr. phil. promoviert. 1981 habilitierte er sich an der Universität Siegen mit der Arbeit Radikales Denken in England: Neuzeit. In der Folgezeit wirkte Klein als Privatdozent und dann Professor für Anglistik in Siegen und Heidelberg.
Von 1991 bis zu seiner Emeritierung 2011 besetzte der Anglist den Lehrstuhl für Englische Literaturwissenschaft sowie Geistes- und Kulturgeschichte Grossbritanniens an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Von 2004 an lehrte er zusätzlich an der Helmut Schmidt Universität Hamburg.
Unser PEN-Mitglied Jürgen Klein war ein aufgeschlossener, hilf- und wissensreicher Akademiker, der sich vielfältig engagierte. U.a. war er in 1990er Jahren Honorary Senior Research Fellow an der University of Glasgow sowie Mitglied der Forschergruppe PEARL an der Sorbonne III in Paris. 2005 organisierte der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn den Deutschen Anglistentag und übernahm den Vorsitz der Internationalen Wolfgang-Koeppen-Gesellschaft, den er bis 2015 innehatte. In Verbindung mit der Gesellschaft agierte er als Gründer und Herausgeber der Zeitschrift Flandziu, die als Halbjahresschrift für Literatur der Moderne ab 2008 in Neuer Folge und bis zum Doppelheft des Jahres 2024 in seinem shoebox house Verlag erschien. Darüber hinaus gab Jürgen Klein Buchreihen und Texte zu Aspekten der englischen Geistes- und Kulturgeschichte heraus und war bis 2007 Mitherausgeber von Schnittpunkte. Der Akademiker war Mitglied mehrerer literarischer Gesellschaften und Fachberater. Und er machte sich – wie bereits erwähnt – einen Namen als Verfasser lesenswerter und ungewöhnlicher Werke. In der wikipedia sind sie alle aufgeführt – und in Bibliotheken und im Handel alles andere als Raritäten.
Jürgen Klein wird von seiner Lebenspartnerin, der Lektorin Gunda Kuttler, und seinem Verlagsmitarbeiter, dem Grafiker Horst Dralle schmerzlich vermisst. Und mir fehlen nun sehr die Gespräche und die Zusammenarbeit mit diesem inspirierenden Anglisten und Flandziu-Herausgeber.
Johann-Günther König






